von Thomas M. Bohn. Eine Lange Abnabelung von Stalin oder Efim Sadovskijs Tagebuch
Der Journalist Efim Sadovskij erlebte den Wiederaufbau der Stadt Minsk als teilnehmender Beobachter. Finden sich in den ersten beiden Jahren nach dem Krieg in den Zeitungen unter seinem Namen noch Reportagen, die von einer gewissen Euphorie zeugen, so sind danach auch von anderen Autoren nur noch anonyme Berichte anzutreffen, die in ihrer Farblosigkeit die Restauration der totalitären Herrschaft widerspiegeln. Dennoch schien sich Sadovskij dem stalinistischen Diktum der „Normalisierung des Lebensbedingungen” verschrieben zu haben. Die Notizen in seinem Tagebuch, die er in den Wochen nach Stalins Tod und an den folgenden Jahrestagen bis in die Mitte der siebziger Jahre eintrug, zeigen ihn als einen Sowjet-menschen, den der Glaube an die „kommunistische Moral” lange davon abhielt, sich von seinem Übervater zu emanzipieren.